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đŸŸ Kapitel 2 - im Shelter



Ich war frei. Kein KĂ€fig, kein Hals-Ding, da hab ich schnell gelernt, halbwegs passabel ĂŒbers GelĂ€nde zu hoppeln. Dort, im Shelter, lebten viele, sehr viele von uns. Große, Kleine, Dicke, DĂŒnne, Alte, Junge, Nette und Doofe. Ein paar Katzen gab es auch. Die waren mir aber erst mal egal. Ich musste lieber zusehen, dass ich mit den Artgenossen klarkam. Immerhin war ich ein Welpe, und ein paar von den Alten waren schon recht streng mit mir. Heute weiß ich, dass das Beste war, was mir passieren konnte. Weil ich so ein fĂŒr alle Mal gelernt hab, wie man sich in Gesellschaft benimmt.

Wir hatten einen großen Innenhof, nichts Besonderes, Hitze, staubiger Boden und ein paar HĂŒtten. Die waren schattig und sehr begehrt, einer wie ich durfte da selten rein. DafĂŒr hĂ€tte ich kĂ€mpfen mĂŒssen. So gar nicht mein Ding, schließlich war ich ein dreibeiniges Hundekind, das von Natur aus freundlich ist. Also stand ich meistens staunend rum und hab aufs Essen gewartet. Oh, Essen! Leider gab es nie genug.

Ich war zufrieden mit meinem neuen Leben, an mein altes konnte ich mich ohnehin nicht erinnern. War bestimmt auch besser so, denn wenn man mit einem zertrĂŒmmertem Beinchen in einer MĂŒlltonne landet, ist das nichts, worĂŒber man nachdenken will. Dass das so war, weiß ich, weil Vesna es mir erzĂ€hlt hat. Und weil sie mich, der Einfachheit halber, auch gleich MĂŒlltonne genannt hat. Vielleicht nicht der beste Name, aber immerhin ein Name. Nicht alle der Artgenossen hatten einen.

Das Allerbeste war, dass ich einer von den Besonderen war. Uns Besonderen fehlte entweder ein Bein, oder die Ohren, oder die Augen, oder wir waren uralt oder sterbenskrank. Deshalb durften wir nachts in ein Zimmer. Dort gab es Körbchen! Genug vor uns alle. Himmlisch! Wenn es geregnet hat, blieben wir trocken, wĂ€hrend die Artgenossen triefnass draußen im Dunklen standen.

Ja, und dann, eines Tages, hab ich da was aufgeschnappt. Ich saß auf dem Schoß von Vesna, und die hat mit dem Arzt geredet, der immer mal nach mir geguckt hat. Normalerweise ging es dann um mein Bein – obwohl ich persönlich an das gar nicht mehr gedacht hab – aber heute haben sie ĂŒber andere Sachen gesprochen: eine Anfrage fĂŒr mich? Impfungen?? Ein Pass??? Ausreise???? Ein mögliches Zuhause?????

In bin sofort zu meinen Kumpels gerannt, ok, gehumpelt, und hab denen das erzÀhlt. Ich war ja so aufgeregt!

Die Kollegen haben mich ausgelacht. MĂŒlltonne, der KrĂŒppel, und ein Zuhause? No way!

Ich war soo enttĂ€uscht, aber dann hat eine alte HĂŒndin behauptet, dass vor langer Zeit, tatsĂ€chlich mal einer von uns Shelter-Hunden ein Zuhause bekommen hatte. Irgend so ein hĂŒbscher, junger, wuscheliger. Der war eines Tages plötzlich weg, und man hatte dann auch nie wieder von ihm gehört.

Wie? War es also gut, wenn ich keins bekommen wĂŒrde? Wenn Zuhause bedeutete, dass man einfach verschwand?

Wieder bin ich ausgelacht worden. Denn, ein paar von uns hatten nĂ€mlich schon mal sowas gehabt. So ein Zuhause. Das wĂ€r der Himmel auf Erden gewesen. Dort lebte man allein mit seinem Menschen, besaß ein eigenes Körbchen, bekam Dosenfutter, hatte Spielzeuge und durfte Gassi gehen.

Oh, Gott, das wollte ich unbedingt, dafĂŒr wĂŒrde ich gern verschwinden, auch wenn ich nicht so genau wusste, wie sich all das anfĂŒhlen wĂŒrde. Bestimmt unglaublich wundervoll!?

Wieso waren die anderen dort jemals weggegangen? Wieso lebten sie jetzt hier? Nicht, dass es im Shelter schlecht gewesen wÀr, aber gegen so ein Zuhause?

Da hat einer von uns Besonderen angefangen, zu weinen. Denn ein Zuhause kann man verlieren. Wenn man zum Beispiel krank wird und nutzlos und Geld fĂŒr den Tierarzt kostet. Dann sehnt man sich fĂŒr den Rest seines Lebens ins Zuhause zurĂŒck. Jede Sekunde. Vergeblich. Wenn man erst ausgesetzt ist, zurĂŒckgelassen, warum auch immer, plötzlich ungeliebt ist, wird man zu einer verlorenen Seele und landet hier im Shelter. Bestenfalls.

Von daher konnte ich froh sein, dass ich sowieso kein Zuhause bekommen wĂŒrde und somit auch nichts zu verlieren hĂ€tte. Das hat der Besondere erzĂ€hlt, und ein paar andere haben dazu gewinselt und genickt.

Ich war aber nicht froh. Ich hab dieses Zuhause nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Wollte es unbedingt! Und ich hatte doch gehört, worĂŒber Vesna mit dem Arzt gesprochen hatte!?

Also hab ich angefangen zu warten. Darauf, dass das Wunder geschehen wĂŒrde. Ich, MĂŒlltonne, das Dreibein, war gerade mal vier Monate alt und sowas von bereit, es zu beweisen. Allen zu zeigen, was möglich ist, wenn man nur ganz fest daran glaubt!





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